14.12.2025 19:22
25.10.2011
DWS - Die Schuldenkrise frisst sich nach Kerneuropa durch. Was für Banken und Konjunktur zu erwarten ist.
DWS-Chefstratege Dr. Asoka Wöhrmann
Köln, den 25.10.2011 (Investmentfonds.de) - Kennen Sie die Nummer 2.2.03-500 aus
dem amtlichen Fragenkatalog für die theoretische Führerscheinprüfung? „Sie fahren
bei Nebel auf der Autobahn und haben 50 Meter Sicht. Wie schnell dürfen Sie höch-
stens fahren?“ Die Antwort lautet 50 km/h – nicht wirklich schnell für tempover-
wöhnte Autobahnfahrer. Ähnlich sollten es Anleger derzeit an den Kapitalmärkten
handhaben. Auf Sicht zu fahren scheint das Gebot der Stunde, auch wenn es risiko-
freudigen Investoren angesichts günstiger Bewertungen zuweilen schwer fallen mag.
Die extreme Abhängigkeit von politischen Entscheidungen vernebelt derzeit den
Blick auf die Kapitalmärkte.
Guter Stossdämpfer
In einem Punkt hat sich der Nebel ein Stück weit gelichtet. Die Stimmung war zu-
letzt tatsächlich schlechter als die Lage. Die an dieser Stelle im Juli beschrie-
bene Lücke zwischen Sentiment und Realwirtschaft hat sich wie vermutet durch eine
Stimmungsaufhellung geschlossen (siehe Grafik rechts). Eine ähnliche Entwicklung
ist in den USA bezüglich der Konsumentenstimmung zu erwarten. Während die Einzel-
handelsumsätze gegenüber dem Vorjahr zwischen 7 und 10 Prozent zulegen, befindet
sich das Verbrauchervertrauen (University of Michigan) noch auf Rezessionsniveau.
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Der Grund, warum die Turbulenzen an den Märkten bis dato nicht stärker auf die
Realwirtschaft durchschlagen, sind die aus der Finanzkrise 2008/2009 gezogenen
Lehren. Das Gros der Unternehmen hat nach dem Lehman-Kollaps die Verschuldung
heruntergefahren, Kreditlinien gesichert und um waghalsige Übernahmen einen weiten
Bogen gemacht. Der Bloomberg-Financial-Conditions-Index hat sich zwar im Zuge der
europäischen Schuldenkrise verschlechtert, notiert aber noch deutlich über den
in der Lehman-Krise gesehenen Niveaus (siehe Grafik rechts). Die Gegenüberstellung
von Wirtschaftsdaten aus den Jahren 2008 und 2011 zeigt zudem die Unterschiede
auf: Im Zeitraum Januar bis August 2008 sank die Industrieproduktion in den USA,
die Beschäftigung ging zurück, und in Europa stagnierte die Industrieproduktion.
Ganz anders das Bild 2011: Die US-Industrieproduktion stieg, der Arbeitsmarkt
wurde entlastet und in Europa verbuchte die Industrieproduktion ein kräftiges Plus.
Bleibt die Zerschlagung der belgisch-französischen Bank Dexia ein Einzelfall,
sollte es weder im aggregierten Europa noch in den USA zu einer Rezession kommen.
Während die Peripherie auf dem alten Kontinent mit einer schrumpfenden Wirtschaft
zu kämpfen haben dürfte, bekommt das Wachstum in Deutschland, Frankreich und den
USA lediglich einen Dämpfer. Wir haben unsere Prognosen für das BIP-Wachstum 2011
auf 1,6 Prozent für Europa (zuvor 2 Prozent) und 1,7 Prozent für die USA (zuvor
2,7 Prozent) heruntergeschraubt. Stichwort Inflation: Die Abkühlung führt zu einer
zyklischen Entspannung, nicht allerdings zu einer Deflation. Langfristig bleiben
die Risiken einer anziehenden Teuerungsrate bestehen. Die Tatsache, dass die Bank
of England Anfang Oktober bei einer Inflationsrate von 4,5 Prozent ein Anleihen-
Kaufprogramm (QE2) mit einem Umfang von 75 Milliarden Pfund verkündet hat, die
EZB zeitgleich mit Verweis auf Inflationsgefahren an ihrem Leitzins von 1,5 Prozent
festhält, könnte den Eindruck erwecken, dass die Zentralbanken wenig koordiniert
agieren.
Wenig hilfreich
Keine Rezession bei weiterhin holprigen Märkten – die Wahrscheinlichkeit des be-
schriebenen Szenarios stufen wir derzeit mit 60 Prozent ein. Da wir die Möglichkeit
positiver Wachstumsüberraschungen lediglich bei 10 Prozent sehen, bleibt mit 30
Prozent zugegebenermaßen eine nicht zu unterschätzende Wahrscheinlichkeit für
unser Negativ-Szenario: Eine weitere Verschärfung der Bankenkrise würde die
Finanzierungsbedingungen deutlich verschlechtern. Der Konsum würde durch sinkende
Reallöhne bei gleichzeitig hohen Energie- und Nahrungsmittelpreisen einen herben
Rückschlag erleiden, und ein sich verlangsamender Welthandel würde Chinas Bemü-
hungen um ein Soft-Landing konterkarieren. Kurzum: Es entstünde ein Umfeld, das
bei der Lösung der europäischen Schuldenkrise wenig hilfreich sein dürfte.
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Eine entscheidende Rolle kommt also in den kommenden Wochen den Politikern in Europa
und der Lösung der Schuldenkrise zu. Schließlich sind die Ursachen für die Turbu-
lenzen – drastische Leistungsunterschiede unter den Ländern bei gleichzeitig
fehlenden Ausgleichsmechanismen – nicht behoben (siehe Grafik rechts). Wir sind
an einem Punkt angelangt, an dem sich das System nicht mehr von allein stabilisieren
kann. Wir brauchen fundamentale Änderungen am Setup des Euros, was nicht innerhalb
weniger Wochen gelingen kann. Daher werden wir uns weiterhin von Eskalationsstufe
zu Eskalationsstufe hangeln. Dazwischen wird es Phasen der Beruhigung geben –
immer dann, wenn von der Politik Reaktionen erzwungen worden sind. Das nächste
große Thema, das zentralen Einfluss auf Frage: „Rezession: ja oder nein?“ haben
wird, ist eine mögliche Rekapitalisierung der Banken.
Crashgefahr senken
Die Nebelschwaden werden sich also nicht so bald auflösen. Und angesichts der
verbreiteten Unsicherheit lohnt noch ein zweiter Blick in den Führerschein-
Fragenkatalog. Frage 2.2.03- 008: „Sie fahren 100 km/h und haben 1 Sekunde Reak-
tionszeit. Wie lang ist der Reaktionsweg nach der Faustformel?“ 30 Meter. Dazu
kommen noch einmal rund 100 Meter Bremsweg. Auf die Aktienmärkte übertragen bedeutet
das: hunderte DAX-Punkte. Gegen die Überholspur – also kräftige Engagements –
spricht derzeit, dass schlechte Meldungen wie zum Beispiel ein Downgrade Frank-
reichs eine latente Crash-Gefahr darstellen. Ein Zyklus kann in drei Börsentagen
komplett gedreht werden. Das ist allerdings genauso ein Argument gegen Short-Trades.
Wer im Nebel verängstigt auf der Bremse steht, riskiert den Auffahrunfall. Wie
sich vor diesem Hintergrund das DWS-Fondsmanagement positioniert – siehe folgende
Seiten.
Quelle: Investmentfonds.de
Disclaimer: Diese Meldung ist keine Empfehlung zu einer Fondsanlage und keine individuelle Anlageberatung. Vor jeder Geldanlage in Fonds sollte man sich über Chancen und Risiken beraten und aufklären lassen. Der Wert von Anlagen sowie die mit ihnen erzielten Erträge können sowohl sinken als auch steigen. Unter Umständen erhalten Sie Ihren Anlagebetrag nicht in voller Höhe zurück. Die in diesem Kommentar enthaltenen Informationen stellen weder eine Anlageempfehlung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Handel mit Anteilen an Wertpapieren oder Finanzinstrumenten dar.
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